in Kürze: Komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE)

  • Die komplexe physikalische Entstauungstherapie ist bei der konservativen Behandlung eines Lymphödems die nachweislich effektivste Methode und damit der Standard.
  • Bei der KPE handelt es sich um ein multimodales Therapiekonzept, das verschiedene Behandlungsmaßnahmen kombiniert.
  • Die fünf Säulen der KPE sind manuelle Lymphdrainage, Kompressionstherapie, Bewegungstherapie, Hautpflege und Selbstmanagement.
  • Die KPE untergliedert sich in eine erste Entstauungsphase und eine darauffolgende Erhaltungsphase.
  • Da es sich beim Lymphödem um eine chronische Erkrankunge handelt, ist es für den Erfolg der KPE entscheidend ist, dass die Behandlungsmaßnahmen über einen langen Zeitraum konsequent durchgeführt werden.

Was ist die Komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) und wann wird sie eingesetzt?

Die KPE ist der Standard der konservativen Behandlung lymphostatischer Erkrankungen (Lymphödeme) und Erkrankungen, die mit einer Lymphostase verbunden sind. Vor einigen Jahren war dies noch nicht bekannt. Erfreulicherweise ist die MLD heute beim Lymphödem ab Stadium II komplett unbegrenzt verordnungsfähig, so dass ihr Arzt diese Behandlung regelmäßig verordnen kann.

Welche Behandlungsmethoden beinhaltet die KPE?

Die komplexe Physikalische Entstauung besteht aus fünf Säulen

  • Manuelle Lymphdrainage (MLD)
  • Hautpflege
  • Kompressionstherapie in Form des lymphologischen Kompressionsverbandes (LKV) und der lymphologischen Kompressionsbestrumpfung (LKB)
  • Entstauungsgymnastik, bzw. Bewegung in Kompression
  • Selbstmanagement

Oft wird die Therapie erst eingeleitet, wenn bereits ein ausgeprägtes Lymphödem vorhanden ist. Daher unterscheidet man zwei Phasen bei der Behandlung:

  1. Die so genannte Entstauungsphase, in der so viel wie möglich von den Folgen der Erkrankung rückgängig gemacht wird
  2. Die Erhaltungsphase, in der das Ergebnis möglichst gehalten oder noch verbessert wird.

Entstauungsphase der KPE

Sie bezweckt die Mobilisierung der vermehrten Flüssigkeit im Gewebe, mit dem Ziel die Flüssigkeitsbalance im Gewebe wiederherzustellen. Das wird erreicht, indem die Behandlung optimaler Weise 4 bis 7x wöchentlich durchgeführt wird. Sie kann stationär oder ambulant in darauf spezialisierten Einrichtungen erfolgen. Die Entstauungsphase endet, wenn der Patient das Selbstmanagement sowie ein Trainingsprogramm inklusive Kompression erlernt hat und ein weiteres Bandagieren keine weitere Volumenverminderung mehr bringt. Die lymphologische Kompressionsbestrumpfung (meist flachgestrickt) muss zu diesem Zeitpunkt angefertigt sein.

Erhaltungsphase

Während dieser Phase wird der Therapieerfolg fixiert und weiter verbessert. Dies erfolgt durch Kompression (in der Regel mittels LKB) und meist auch manueller Lymphdrainage. Das erlernte Trainingsprogramm inklusive Hautpflege wird im Rahmen des Selbstmanagements eingesetzt.

In beiden Phasen werden alle Komponenten befundadaptiert durchgeführt, denn nur wenn alle fünf Säulen gemeinsamen angewendet werden, kann ein optimales Therapieresultat erreicht und erhalten werden.

Manuelle Lymphdrainage

Bei der manuellen Lymphdrainage handelt es sich um ein physikalisches Behandlungsverfahren, das von speziell ausgebildeten Therapeuten durchgeführt wird. Sie wurde in den 1970er Jahren vom dänischen Physiotherapeuten Emil Vodder entwickelt und später immer weiterentwickelt. Sie basiert auf vier Grundhandgriffen: Stehender Kreis, Drehgriff, Pumpgriff und Schöpfgriff. Dadurch wird die Haut auf spezielle Art und Weise gedehnt. Dieser Zug setzt sich auf die Fasern, die mit den initialen Lymphgefäßen verbunden sind, fort. Die Folge ist ein Öffnen der Überlappungen in den Wandzellen der Lymphgefäße, so dass Eiweiße und auch Gewebeflüssigkeit besser dort einströmen können (Lymphbildung)

Durch die Dehnung der Lymphgefäßmuskulatur arbeitet das Lymphgefäßsystem schneller und effizienter. Der Lymphabfluss wird deutlich verbessert. Während der manuellen Lymphdrainage kann das Schlagvolumen der Lymphgefäße auf das zehnfache steigen (Lymphtransport). Die Muskulatur der Lymphgefäße wird trainiert, so dass ihre Leistungsfähigkeit dauerhaft gesteigert wird. Aus kleinen Lymphgefäßen, so genannten „Trampelpfaden“, können große Lymphgefäße („Autobahnen“) gemacht werden. Es konnte außerdem nachgewiesen werden, dass durch die manuelle Lymphdrainage die Regeneration von Lymphgefäßen beschleunigt wird.

Ziel der manuellen Lymphdrainage ist zunächst die Lymphbildung und den Lymphtransport in umliegenden, benachbarten, funktionierenden Gebieten zu steigern. Hierdurch entsteht eine Sogwirkung auf den Bereich mit der Lymphstauung (z.B. den Bereich des Lymphödems).

Erst im zweiten Schritt wird im Bereich des Lymphödems selbst gearbeitet. Das Lymphödem wird dann in die vorbehandelten, ödemfreien, angrenzenden Gebiete verschoben, um von dort endgültig abtransportiert zu werden.

Weiterhin können Gewebeverhärtungen (lymphostatische Fibrosen), die aufgrund des Lymphödems entstanden sind, durch festere Lockerungsgriffe, aufgelöst werden. Neben der entstauenden Wirkung ist die manuelle Lymphdrainage schmerzlindernd und entspannend.

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Grundhandgriffe der manuellen Lymphdrainage – Drehgriff
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Grundhandgriffe der manuellen Lymphdrainage – Pumpgriff

Kompressionstherapie

Das Prinzip der Kompressionstherapie besteht darin, von außen kontrollierten Druck auf die vom Lymphödem oder der Lymphostase betroffene Körperregion auszuüben.

In der ersten Phase der KPE werden lymphologische Kompressionsverbände (LKV) im direkten

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Grundhandgriffe der manuellen Lymphdrainage – Schöpfgriff
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Grundhandgriffe der manuellen Lymphdrainage – stehende Kreise

Anschluss an die MLD eingesetzt. Sie dienen dazu, dass die durch die Behandlung aus dem Gewebe geschobene Flüssigkeit sich nicht sofort wieder einlagern kann.

In der zweiten Phase reicht zur Erhaltung in der Regel die lymphologische Kompressionsbestrumpfung (LKB) aus. Zur Optimierung wird ein LKV dann nur noch an den Behandlungstagen oder bei Bedarf und nach entsprechender Anleitung als Selbstverband angelegt. Durch den Einsatz individueller unruhiger Oberflächen, so genannter Lymph-Pads direkt auf der Haut, unter dem Verband oder dem Strumpf, können neu gebildete Gewebeverhärtungen gelockert werden. Hierdurch wird das das Behandlungsergebnis optimiert.

Medizinische adaptive Kompressionssysteme (MAK) können sowohl in der Entstauungsphase (ergänzend) als auch in der Erhaltungstherapie eingesetzt werden. Sie können bei wechselnden Umfängen durch Klettverschlüsse schnell und einfach auch in der Selbsttherapie angepasst werden.

Spezielle Lymphologische Kompression

Abhängig von der Lokalisation und vom Krankheitsstadium werden entweder spezielle lymphologische Kompressionsverbände oder medizinische Kompressionsbekleidung wie Strümpfe, Strumpfhosen, Armstrümpfe oder Bolero-Jacken eingesetzt.

Der zentrale Effekt der Kompression liegt darin, dass durch den erhöhten Druck im Gewebe weniger Flüssigkeit aus den Blutkapillaren (die Verbindung zwischen Arterien und Venen, an denen der Nährstoffaustausch stattfindet) in die Zwischengewebsräume übertritt. Kombiniert man die Kompression mit aktiver oder passiver Bewegung der Gelenke im betroffenen Bereich wird auch der Einstrom der Zwischengewebsflüssigkeit in die initialen Lymphgefäße verstärkt und der Lymphtransport in den noch funktionierenden Lymphgefäßen erhöht. Diese vielfältigen Wirkungen machen die Kompressionstherapie zu einem unverzichtbaren Bestandteil der KPE. Denn nur mit ihrer Hilfe lässt sich der Entstauungseffekt der manuellen Lymphdrainage erhalten wodurch die erneute Bildung von Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe verhindert wird.

Bewegungstherapie in Kompression

Der therapeutische Effekt dieser dritten Säule der KPE beruht darauf, durch sportliche Aktivität und gezielte Bewegungsübungen die Muskel- und Gelenkpumpe in den Extremitäten zu aktivieren. Insbesondere in den Beinen tragen wiederholte Kontraktion und Entspannung der Muskulatur maßgeblich zum Abtransport der Lymph- und Gewebsflüssigkeit bei. Kompressionsverbände bzw. Kompressionsbestrumpfung sind unverzichtbar, um diese Wirkung zu erzielen. Sie sollen deshalb bei der Bewegungstherapie konsequent getragen werden. Als für Lymphödempatienten besonders geeignete Sportarten gelten Spazierengehen, Wandern, (Nordic) Walking, Joggen, Radfahren, Treppensteigen, Aqua-Jogging, Aqua-Cycling, sowie jede Form von Bewegung im Wasser. Aber auch Tanz, Tai Chi, Yoga, Skilanglauf und moderates Krafttraining im Fitness-Studio wie auch Kampfsportarten oder Capoera sind als positiv zu bewerten.

Jegliche Bewegung in Kompression unterstützt die Entstauung. Sie wirkt auf alle Gefäßsysteme (Arterien, Venen und Lymphe) und das Gewebe. Tiefes Ein- und Ausatmen und die damit verbundene Druckänderung in Brustkorb und Bauchraum steigern den Lymphrückfluss im tiefen Lymphsystem. Dementsprechend wird die Bewegungstherapie durch Atemübungen sinnvoll ergänzt.

Hautpflege und Hautsanierung

Die Haut gewährleistet den Schutz vor chemischen, thermischen und mechanischen Einflüssen. Ihr Schutzmantel wehrt viele Krankheitserreger ab.

Die Hautpflege soll die natürlichen Schutzmechanismen der Haut erhalten und verbessern und der Haut Fett und Feuchtigkeit zurückgeben. Dabei sind die verschiedenen Bedürfnisse der Haut an den unterschiedlichen Körperbereichen zu beachten. In der Regel werden Pflegestoffe wie Harnstoff (Urea) oder Glycerin in unterschiedlichen Zubereitungen angewendet. Die Art der Zubereitung (Lotion, Creme oder Salbe) muss dem individuellen Hautzustand angepasst werden. Auf Duftstoffe sollte hier verzichtet werden. Sollten spezielle Wirkstoffe zur Hauttherapie oder Infektionsvorbeugung benötigt werden, werden diese von einem Arzt verordnet.

Info

Dass die Haut besonders empfindlich und verletzlich ist, gehört zu den Charakteristika eines Lymphödems. Zusätzliche Beanspruchung erfährt die Haut durch die Kompressionstherapie. Deshalb ist die sorgfältige Hautpflege ein weiterer essentieller Bestandteil der KPE. Zur Hautreinigung sollten Ph-neutrale Produkte verwendet und nach dem Waschen wieder gut abgespült werden. Für die Pflege der meist trockenen, spröden Haut eignen sich feuchtigkeitsspendende Cremes mit erhöhtem Fettanteil. Als besonders empfehlenswerte Inhaltsstoffe gelten beispielsweise Urea (Harnstoff), Ceramide und Glycerol. Fragen zur richtigen Hautpflege beantworten sowohl Lymphologen als auch Dermatologen. Durch die sehr empfindliche Haut und deren beeinträchtige Barrierefunktion wächst bei Lymphödem-Patienten das Risiko, dass Bakterien oder Pilze eindringen und Infektionen wie eine Wundrose auslösen. Um das zu verhindern, sollten Hautverletzungen vermieden und möglichst umgehend desinfizierend behandelt werden.

Selbstmanagement

Dieser Punkt umfasst letztlich alle von den Betroffenen selber durchgeführten Maßnahmen und Verhaltensweisen, die den Verlauf des Lymphödems positiv beeinflussen und den Umgang mit dieser auch psychisch belastenden chronischen Erkrankung erleichtern. Das beinhaltet die konsequente Umsetzung aller fünf Komponenten der KPE, aber auch eine auf die individuelle Situation und die aktuellen Beschwerden abgestimmte Organisation des Alltags. Aufklärung und Schulungen zu Krankheitsbild und Behandlung tragen viel zu einem guten Selbstmanagement bei. Selbsthilfegruppen und psychotherapeutische Begleitung können die Betroffenen ebenfalls dabei unterstützen, bestmöglich mit ihrer Erkrankung umzugehen.

Info

Schwimmen und vor allem Wassergymnastik wie Aqua-Jogging, Aqua-Cycling und ähnliches gelten als besonders empfehlenswerte bewegungstherapeutische Maßnahmen bei Lymphödemen. Zum einen sind die Bewegungen unter Wasser gelenkschonend, aktivieren dabei aber trotzdem effektiv die Muskelpumpe. Zum anderen wirkt der Wasserdruck wie ein Kompressionsstrumpf auf das Gewebe und die Lymphgefäße.

Wie wird die komplexe physikalische Entstauungstherapie durchgeführt?

Nach der Diagnose des Lymphödems sollte die Entstauungsphase möglichst schnell eingeleitet werden. Der behandelnde Arzt klärt den Patienten auf und bespricht und verordnet die weiteren Schritte, die ambulant oder stationär, in einer mit der Erkrankung erfahrenen Einrichtung eingeleitet werden sollten.

Tatsächlich sind es oft die Hausärzte, die das Lymphödem feststellen und die ersten Schritte einleiten. Dazu kommt, dass viele berufstätige Menschen sich kaum Ausfallzeiten leisten können und auch Therapie-Plätze rar sind. Daher wird mit der Bandagierung oft in der Praxis oder durch einen Pflegedienst begonnen, bis dann auch ein entsprechender Therapieplatz frei. Mit dem Therapieplatz können dann beiden Phasen der KPE überlappend eingeleitet werden. 

Bei der Erhaltungsphase handelt es sich um eine kontinuierliche Behandlungsform, die meist ein Leben lang durchgeführt werden muss. Wichtig ist dabei, dass der Therapeut regelmäßig die Umfangmaße, die Hautbedingungen und die Beschwerden des Patienten dokumentiert und ggf. den behandelnden Arzt über nötige Änderungen informiert. 

Je nach Verlauf der Therapie und der Entwicklung des Patienten müssen die Therapiemaßnahmen in Absprache mit dem Patienten angepasst werden. Nehmen das Ödem beziehungsweise die Beschwerden wieder zu, kann eine erneute Entstauungsphase erforderlich sein.

Welche Erfolgsaussichten und Einschränkungen hat die KPE?

Dass die komplexe physikalische Entstauungstherapie selbst sehr ausgeprägte Lymphödeme auf beeindruckende Weise reduzieren und das Fortschreiten der Erkrankung stark verlangsamen kann, haben wissenschaftliche Studien bewiesen. Trotzdem bleibt das Lymphödem ein chronisches Leiden, dass sich nicht vollständig heilen lässt. Für eine maximal erfolgreiche Behandlung ist die Selbstdisziplin des Patienten, der die Therapie ein Leben lang konsequent durchhalten muss sehr wichtig. 

Sowohl der behandelnde Arzt als auch der Lymphtherapeut müssen den Patienten immer wieder daran erinnern. 

Es gibt Krankheiten, bei denen die KPE und insbesondere die manuelle Lymphdrainage nicht oder auf nur eingeschränkt durchgeführt werden darf:

  • Im Fall einer akuten tiefe Beinvenenthrombose soll das Areal, in dem die Thrombose sitzt, in den ersten 10 – 14 Tagen nicht manipuliert werden. Ob hierdurch eine wirkliche Gefährdung besteht ist unklar.
  • Dekompensierte Herzinsuffizienz: Das bedeutet, dass der Patient vor Luftnot nicht liegen kann bzw. bereits bei wenigen Schritten oder minimalen Anstrengungen in Luftnot gerät, weil die Pumpfunktion des Herzens massiv eingeschränkt ist 
  • Akute Entzündungen im zu behandelnden Gebiet mit Fieber und Schüttelfrost (Wundrose). Eine Kompressionstherapie ist hier jedoch sofort möglich und indiziert.
  • Akute, nässende Hauterkrankungen. Diese sollten nicht direkt mit den Händen berührt werden. In der Umgebung und vor allem zur Körpermitte hin, kann bei vorliegendem Lymphödem dennoch behandelt werden. 
  • Die akute Strahlenentzündung der Haut bedingt ein vorübergehendes Auslassen dieses Areals bei der MLD. 
  • Eine bösartige Erkrankung des Lymphsystems kann gegen eine MLD sprechen.

 

Anders als bei der Kompression, stellt kein Stadium der arteriellen Verschlusskrankheit eine Kontraindikation zur manuellen Lymphtherapie dar.Im Gegenteil: Liegt ein Lymphödem zusätzlich zu einer arteriellen Durchblutungsstörung vor profitieren die Patienten auch von einer besseren (arteriellen) Kapillar-Durchblutung, wenn sie MLD erhalten.  

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